Heute ist der 8. März 2020, internationaler Frauentag, Weltfrauentag oder auch Frauenkampftag. Es finden viele Veranstaltungen statt, Demos, der Frauenstreik.
Jedes Jahr sympathisiere ich mit dem Streik, will mich beteiligen und mache es doch nicht. Zu viel zu tun, um zu einem der Vorbereitungstreffen zu gehen, zu müde um mich abends noch aufzuraffen und am Tag selber ist auch wieder irgendwas. Letztes Jahr war ich immerhin bei der Demo. War erschrocken wie wenig Menschen da war, wie mickrig es wirkte in einer Großstadt wie Köln. Und dennoch waren es mir zu viele Leute, zu wenig die ich kannte. Ich blieb nicht lang. Immerhin hatte ich mich aufgerafft, obwohl ich mit niemandem verabredet war.
Heute also. Neues Jahr neues Glück. Und wieder eine Geschichte des Scheiterns. Des Struggles und der Auseinandersetzung mit mir selber. Mein Vorsatz ist: Keine Care Arbeit. Ein Tag ohne Mental Load. Nicht in die klassisch weibliche Rolle. Auto schrauben und dann Demo. Die Hundehaare sauge ich heute ganz sicher nicht vom Sofa. Das kann wer anders machen oder es muss warten.
Früh wach. Ich schleiche durch die Wohnung, bedenke jeden meiner Schritte, will ja niemanden wecken. Koche Kaffee. Nicht nur für mich. Und auch noch die zweite Runde, obwohl mir selber gar nicht mehr nach Kaffee ist. Mache ich meistens. Bin ja als erste wach. Stehe ja eh auf. Macht ja keine Umstände… Später dann: Basteln an der rostigen Karre. Der Rost muss weg, die Gute braucht TÜV. Ich stehe schon halb in der Tür, will die Arbeitsschuhe anziehen. Der Blick in die Küche. Der ganze Frühstückskram von uns steht noch rum. Brettchen, Messer, leere Käsepackung. Das räum ich lieber noch weg. Ist ja nicht nett gegenüber den anderen, das den halben Tag stehen zu lassen. „Ich komm gleich nach, geh schon mal runter! Ich räum das hier noch auf.“ „Kein Problem, brauchst dich nicht hetzen.“ Tür zu. Problem?!? Hetzen?!? Das wär ja noch schöner. Da fällt mir auf, die Spülmaschine ist quasi voll. Also noch mal kurz in Küche und Essbereich alles eingesammelt, das irgendwer stehen gelassen hat. Ordentlich gefüllte Spülmaschine ist schließlich ökologischer. Oh, die Tabs sind fast leer. Schreib ich auf meinen innerlichen Einkaufszettel. Aber gut, jetzt werkeln. Wenigstens keine klassischen Mädchentätigkeiten am heutigen Tag. Unter’m Auto beim Anschweißen der Ersatzbleche. Sieht wieder mal nicht gut aus. Klappt nicht so wie geplant. Frust. Stimmung schlecht. Und ich so? Biete meine Hilfe an, wo ich kann. Frage wo und wie ich mich nützlich machen kann. Wäge ab wann ich frage oder was sage und wie. Will die Stimmung nicht noch schlechter machen. Lieber auffangen. Bemühe mich um Zurückhaltung und Empathie. Bemühe mich das positive hervorzuheben. Bleibe freundlich und diplomatisch obwohl ich das Gefühl habe, den ganzen Frust abzubekommen. Rund um die Mittagspause zumindest das Kaffee und Snacks besorgen delegiert. Die Bastelei dauert lang, ist anstrengend und es beginnt zu regnen. Also doch nicht mehr zur Demo. Lieber noch ein wenig lesen. Mir ein wenig Zeit für das nehmen, was ich schon seit Wochen gerne tun will. Komme in die Wohnung, der Mitbewohner putzt das Bad. Ich bin überrascht, feiere es innerlich und spare mir zumindest die überschwängliche Anerkennung. Passiert schließlich nur alle Jubeljahre, obwohl es selbstverständlich sein sollte. So wie ich mir meine genervten Kommentare immer spare und stattdessen putze oder versuche, es auszusitzen (woran ich immer scheite und irgendwann doch putze), spare ich mir heute immerhin Dankbarkeit, Lob oder ähnliches. Es wäre auch unangemessen. Dafür höre ich mir an, dass er ja eigentlich nur das Klo putzen wollte und dann irgendwie noch dies und das und jenes zusätzlich gemacht hat. „Oh, wow!“ Denk ich mir. NICHT. Auf Rückfrage beantworte ich natürlich noch gerne, bei welcher Temperatur man Handtücher und Putzutensilien waschen sollte. Die Badematte ist schon in der Maschine, ich will gleich duschen. Da fällt mir auf: bevor ich eine frische auf den Boden werfe, könnte ich ja mal noch kurz saugen. Als ich damit fertig bin sagt der Mitbewohner „Oh, das hätte ich gleich auch noch machen wollen.“. Ah, ja… Beim Blick ins Waschbecken frag ich mich, ob er vielleicht doch mal öfter seine Brille tragen sollte oder ich ultimativ pingelig bin. Hole mir erst mal eine zweite Meinung ein bevor ich was sage. Aber ich wage es. Kennzeichne, dass ich nicht sicher bin ob ich zu pingelig bin und betone, dass ich nicht meckern will. Aber das Waschbecken hat noch immer einen grauen Dreckrand aus Kalk und Schrauber*innen-Handwasch-Bäh, Seifenklecker hier und da. Gemeinsame Besichtigung. Einsicht. Aber er wollte ja eigentlich nur das Klo putzen und dann ist das ein oder andere eher oberflächlich ausgefallen… Ich sag noch, er soll es nicht falsch verstehen und braucht jetzt wegen mir auch nicht nachputzen, aber dass es mir wichtig gewesen sei, das anzusprechen. War es auch. Und ich bin froh und leider auch stolz, dass ich es geschafft habe etwas zu sagen. Ich hab dann noch die restlichen Handtücher eingesammelt und in die Maschine gestopft und noch eine Ladung Buntwäsche zusammengetragen. Mal gucken, wer die Maschine ausräumt und die Sachen aufhängt. Ich nicht. Und die Spülmaschine habe ich auch nicht ausgeräumt. Ich habe ein paar Ideen, was ich heute noch sagen oder nicht tun könnte. Der Tag hat ja noch ein paar Stunden.
By the way: Ich frag mich schon seit heute Mittag, was von unseren Gemüse-Vorräten wohl als erstes verarbeitet werden sollte und was man daraus leckeres kochen könnte.
Einen kämpferischen internationalen Frauentag wünsche ich euch.
Aber es geht nicht nur um heute und es geht auch nicht, nur heute zu kämpfen. Den Kampf für Gleichberechtigung und gegen das Patriarchat müssen wir jeden Tag führen. Einerseits können wir bei den derzeitigen gesellschaftlichen Verhältnissen gar nicht ohne zu strugglen durch unseren Alltag kommen – es ist unmöglich oder zumindest jenseits meiner Vorstellungskraft – zu anderen sehe ich die derzeitige Situation als klare Verpflichtung für alle: KÄMPFT! Lebt Solidarität und kämpft gegen Diskriminierung und für die Rechte aller Nicht-Privilegierten! Frauen, PoC, Indigene, Queer-People, Sex-Arbeiter*innen, Trans-Menschen, Muslime, Jüd*innen, Asiat*innen, Arme Menschen, Illegalisierte, Menschen ohne Papiere, eingewanderte Menschen, Menschen fernab von körperlichen Normen, Menschen mit psychischen Erkrankungen und all die anderen die nicht „normal“ sind. WE DON’T WANT ROSES!